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Opernsänger auf dem Wasser – DB mobil 7 / 2003

Burkhard v. Puttkamer - Mühlendamm-Schleuse, Berlin

Opernsänger auf dem Wasser

Burkhard von Puttkamer liebt Musik. Aber in Konzertsälen hat er sich zu oft gelangweilt. Deshalb lädt er zu Liederabenden in Bergwerken, Schleusen oder am Ende der Welt.

 

Vergiss es. Es ist unmöglich. Das klappt nie. – Es gibt viele Wendungen, um zu sagen, dass ein Projekt keine Chance hat. Burkhard von Puttkamer hat sie schon alle gehört. Denn seine Ideen für Musiktheater an außergewöhnlichen Aufführungsorten stoßen anfangs auf Skepsis. Als der Sänger im Frühjahr 2000 auf die Idee kam, ein Konzert in einer großen Schiffsschleuse zu organisieren, hielten ihn nicht nur die Schleusenwärter für verrückt. Mittlerweile ist aus dem einzigartigen Konzert in der Mindener Schachtschleuse eine Konzertreihe geworden. Und der 36-jährige hat schon viele neue Aufführungsorte ausprobiert.

„Es ist nicht leicht, für klassische Konzertabende ein Publikum zu gewinnen“, sagt von Puttkamer. Für Liederabende gibt es selten Platz auf den Spielplänen. Und zu oft langweilt sich der Wahl-Berliner aus dem Oberbergischen Land bei Aufführungen in den staatlich geförderten Opernhäusern. „Wir wollen die Musik an die Quelle der Inspiration zurückführen“, sagt er. „Man hört die Vögel, das Wasser, den Wind. Die Bootsfahrt ist auch ein Naturerlebnis.“

Mittlerweile hat sich von Puttkamer fast jede größere Schleuse in Deutschland angeschaut, um zu prüfen, ob man da spielen kann. Dabei hat er viele Schleusenmeister kennen gelernt. Ein Schleusenmeister sitzt in seinem Schleusenhäuschen, blickt aufs Wasser und muss, wenn mal ein Schiff vorbeifährt, ein paar Hebel in Bewegung setzen. In diese Langeweile kommt dann dieser große Mann mit wehendem Haar hereingeschneit und erklärt mit seiner Bariton-Stimme, dass er gerne im Schleusenschlund ein Konzert geben würde. „Das finden die erstmal seltsam, aber letztlich freuen sie sich, dass mal einer vorbeikommt“, sagt von Puttkamer. Wenn er voller Enthusiasmus von seinen Konzerten schwärmt, lässt sich auch der mürrischste Meister überzeugen.

Wie kommt das Konzert in die Mindener Schleuse? Die rund 150 Besucher gehen an Bord eines Ausflugdampfers, fahren über den Mittellandkanal. Dann steuert das Boot auf die steinernen Türme der riesigen, 1916 eingeweihten Schachtschleuse zu. Die Tore öffnen sich, das Schiff verschwindet im Schacht und sinkt 18 Meter tief zur Weser ab. Der Kapitän stellt den Motor aus und von Puttkamer betritt mit einem Pianisten das Deck. „Die Akustik in diesem schwarzen Schacht ist überwältigend“, sagt von Puttkamer. Auch in diesem Sommer singt der Opernsänger wieder Lieder von Schubert, Schumann und Brahms auf dem Wasser.

Das Konzert schwimmt auf dem Schiff von Heinz Schiebe. Auch der Mindener Reeder war skeptisch, als sich von Puttkamer bei ihm vorstellte: „Wir haben erstmal gedacht, das ist jawohl eine schwachsinnige Idee, ein Konzert in der Schleuse.“ Das änderte sich erst, als der Kartenvorverkauf in Schwung kam. Wieso sich Schiebe auf von Puttkamers waghalsige Idee einließ? „Entscheidend war, dass er das Risiko getragen hat. Da war uns eigentlich egal, was er veranstalten wollte.“

Während andere über den Zustand der subventionierten Staatsbühnen klagen, entschied sich von Puttkamer, sein eigenes Programm auf die Beine zu stellen. Der Erfolg der Schleusenkonzerte, die er ohne Förderung finanzierte, brachte ihn dazu, sich als Musiktheater-Produzent selbständig zu machen. Mit dem Regisseur Holger Müller-Brandes und dem Produkt-Manager Konrad Schulz gründete er die Produktionsfirma „Zwischenakt“. Für viele Künstler, hat von Puttkamer beobachtet, ist die geschäftliche Seite der Musik uninteressant oder gar unappetitlich. Er selbst schätzt die Verbindung aus musikalischer Kreativität und zupackendem Unternehmertum. Vielleicht hat es etwas mit seiner Familie zu tun: Während die väterliche Seite viele Kantoren hervorgebracht hat, war der Großvater mütterlicherseits Metzgermeister.

Als Produzent organisiert von Puttkamer jetzt auch Theater an ungewohnten Orten, zum Beispiel in einem leer stehenden Berliner Schwimmbad. Erstmals steht diesen Sommer auch die hochmoderne 180-Meter-Schleuse bei Magdeburg auf dem Spielplan. Das Flußkreuzfahrtschiff „Saxonia“ sorgt für angemessenen Komfort. Ungemütlicher wird es bei den Unter-Tage-Konzerten, die von Puttkamer im Besucherbergwerk Kleinenbremen bei Porta-Westfalica organisiert.

Mit der Grubenbahn rattern Musikfreunde in den Untergrund. Der historische Zug hält in einem riesigen, in den Berg gegrabenen Hohlraum. Scheinwerfer lassen die mächtigen Pfeiler erstrahlen, die unterirdischen Seen leuchten blau. Vor dieser Kulisse, bei einer Luftfeuchtigkeit von 95 Prozent und einer permanenten Temperatur von rund 10 Grad, singt von Puttkamer Die Winterreise. Schuberts Liederzyklus zwischen Liebesgefühlen und  Endzeitstimmung findet der Sänger wie geschaffen für den bizarren Felsenraum. Die Gesamtwirkung von Aufführungsort und Vorstellung ist für ihn entscheidend: „Ich suche nicht möglichst eindrucksvolle Kulissen, um davor irgendein Stück aufzuführen. Mich treibt die Liebe zur Musik.“

Alexander Visser, DB mobil 7 / 2003

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