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Romantik vor dem imposanten Schleusentor

Das tiefgrüne Weserufer bildete die Kulisse für den ersten Teil des Schleusenkonzertes mit Andras Vermesy, Daniela Strothmann und Burkhard von Puttkamer. Foto: Christian Helming

Von Christian Helming

Minden (hel). Die meteorologischen Schleusentore standen weit offen und das sechste Schleusenkonzert, Teil des Westfälischen Musikfestes, drohte im wahrsten Wortsinn ins Wasser zu fallen.

Wer sich an die starken Unwetter vom Pfingstsonntag erinnert, weiß, vor welchen Problemen die Veranstalter gestanden haben. Denn der Reiz der Schleusenkonzerte liegt in der Akustik innerhalb der Schleuse. Das Schiff fährt ein, wird nach unten geschleust und auf dem Oberdeck findet die künstlerische Darbietung statt.

Doch am Sonntag musste das Konzert auf das Unterdeck verlegt werden. Dass es trotzdem ein unbeschwerter und rundherum gelungener Kulturgenuss wurde, obwohl die klangliche Besonderheit vorerst ausblieb, lag an den glänzend disponierten Protagonisten, die sich von den Begleitumständen nicht beeindrucken ließen und an den intelligent handelnden Verantwortlichen, die stets die richtigen Entscheidungen trafen.

„Auf den Flügeln des Gesanges“ war die Auswahl überschrieben, die die Mezzo-Sopranistin Daniela Strothmann, unlängst als Mary in der Mindener Holländer-Produktion zu sehen, der Bariton Burkhard von Puttkamer und der Pianist Andr±as Vermesy, darboten. So standen neben dem Titel gebenden Stück weitere Lieder und Duette von Felix Mendelssohn, aber auch von Clara und Robert Schumann auf dem Programm.

Und da das Konzert im Unterdeck stattfand, machte es keinen Sinn in der Schleuse zu bleiben. So fuhr die MS Europa die Weser abwärts durch den Mindener Norden gen Petershagen. Der ostinate Bass der Schiffsmotoren störte dabei kaum und wurde durch die landschaftlichen Impressionen des vorbeiziehenden tiefgrünen Weserufers vollends wettgemacht. Gerade in den besinnlichen Stücken konnte das so gezeichnete romantische Bild nicht stimmungsvoller sein.

Gesanglich erarbeitete sich Daniela Strothmann dabei leichte Vorteile. In den Duetten war sie kraftvoller als ihr männlicher Widerpart und in den Sololiedern wirkte sie etwas präsenter und engagierter. Ihr darstellerisches Talent wurde im „andren Maienlied“ deutlich, wo sie die erzählte Handlung durch Körpersprache und Mimik dämonisch auszugestalten wusste.

Der zweite Konzertteil sah dann Auszüge aus Hugo Wolfs „Italienischem Liederbuch“ vor. Und da es draußen aufklarte, wurde das Geschehen doch noch auf das Oberdeck verlegt.

Wie gut aufgehoben waren die Lieder Wolfs, dem früh dem Wahnsinn Verfallenen und daran kaum 43-jährig zugrunde Gegangenem, mit ihrem düsteren Unterton tief im Schleusenschacht vor der imposanten Kulisse der hoch aufragenden Türme und des Tores. Spätestens hier fand nun auch von Puttkamer mit dem „Benedeit die sel’ge Mutter“ auf das Niveau von Daniela Strothmann und des hervorragenden Pianisten Andr±as Vermesy, dem bei seinem leidenschaftlichen Spiel zuzuschauen eine große Freude war. Und als dann noch Krähen die Schleusentürme umkreisten und in das Konzert mit einstimmten, gewann dieser außerordentliche Abend eine weitere Dimension hinzu. Es entstand eine wundervolle Symbiose aus Kunst, Natur und Technik.

Mit drei Zugaben wurde das Konzert beschlossen, als letztes noch einmal das Mendelssohn- Duett „Ich wollt meine Liebe ergösse sich“, mit dem der Liederabend begonnen hatte und in dem es heißt: „Du hörst es an jedem Ort“.

 

Mindener Tageblatt, 11.06.2003
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